„Galilei“ sagen, Brecht meinen – das ist die leicht durchschaubare (epische) Verfremdung, die hinter Bertolt Brechts Lebensbilanz-Stück „Leben des Galilei“ steckt, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Lebensbilanz 1938? Wo der 40-jährige Brecht noch weitere 18 Jahre vor sich hatte? Sein wichtigstes Stück hat Bertolt Brecht (1898-1956) nach eigenem Bekunden in kürzester Zeit niedergeschrieben: „brauchte dazu drei wochen“, heisst die Eintragung vom 23. November 1938 in seinem „Journal“. Wieder ein Rätsel, aber auch ein Anhaltspunkt, wo wir mit unseren Schulklassen eingreifen können.
Besuchen wir den Dramatiker doch 1938 in seiner Exil-Werkstatt im strohbedeckten Fischerhaus an der dänischen Südküste, wo er den Geschütz-Donner der Nazi-Marine hört und trotzdem hofft, mit seinem Theater nach Deutschland zurückkehren zu können. Brechts Gedicht „Zufluchtsstätte“ (vor 1938) beschreibt die Atmosphäre bei der Genese des Stücks akkurat:
Zufluchtsstätte
Ein Ruder liegt auf dem Dach. Ein mittlerer Wind

Wird das Stroh nicht wegtragen.
Im Hof für die Schaukel der Kinder sind
Pfähle eingeschlagen.
Die Post kommt zweimal hin
Wo die Briefe willkommen wären.
Den Sund hinunter kommen die Fähren.
Das Haus hat vier Türen, daraus zu fliehn.
Weil die jüngste Brecht-Forschung aufgedeckt hat, mit welcher Vorlage der Meister gearbeitet hat, können wir Stück für Stück verfolgen, wie Brecht das aristotelische Drama „Galileo Galilei“ des Schweizer Schriftstellers Jakob Bührer ins epische „Leben des Galilei“ umgearbeitet hat. Da hilft es unserer Anschauung, gewisse Kernszenen auch szenisch auf unserer Bühne im Klassenzimmer nachzustellen. Und was wir begriffen haben, halten wir auf unserem wachsenden Denkbild auf der Tafel fest.
Und was entdecken wir? Mindestens fünf Mal erlebt Brecht in seinem Leben „seinen Galilei“, am Spektakulärsten bei seinem „Prozess“ am 31. Oktober 1947 bei der Anhörung vor dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe, wo er auch sein Werk verteidigen muss. Die zweite Aufführung seines amerikanischen „Galilei“ in New York erlebte Brecht schon nicht mehr, weil die USA fluchtartig verliess – Richtung Europa.
Warum musste Brecht diesen Galilei episch bringen – und war dann doch nicht zufrieden mit seinem Meisterwerk? Und was geht das uns SchülerInnen von heute an? Zum Glück haben wir dank Brechts Keuner-Geschichte „Massnahmen gegen die Gewalt“ eine Sogfrage gefunden, die uns diese Fragen beantwortet. „Wie wehren wir uns für Wahrheit, Werk und Leben?“, mussten sich Galilei, musste sich Brecht, musste sich Einstein, müssen wir uns mit ihnen immer wieder fragen. Einstein? Ja, zum Schluss merken wir, dass das Stück doppelt verfremdet und eigentlich Brechts weltberühmten Bekannten meint, dem er das Drama „Leben des Galilei“ gleich nach der Fertigstellung 1938 nach Amerika schickt.
Anleitung für eigene Inszenierungen
Die Beschreibung des Lehrstück-Plots (vgl. Download „Brechts Galilei - Komposition als Anleitung für eigene Inszenierungen“), die eingestreuten Materialien (jeweils in Rahmen) und weitere Hinweise auf Materialien sollten es interessierten Lehrkräften möglich machen, das Lehrstück in ihren eigenen Klassen „nachzuspielen“, natürlich nach den unumgänglichen Adaptionen an die Gegebenheiten in ihren Schulen. Einige Materialien sind als pdf-Downloads hier zugänglich, zwei davon auch als Audio-Dateien.
Die Beschreibung gliedert das Lehrstück in einen Rahmen und in 8 Punkte oder Stationen. Es ist möglich, für den Rahmen und für jede Station zum Beispiel eine Doppelstunde einzusetzen und so das Lehrstück in rund 20 Lektionen zu unterrichten. Es ist auch möglich, eine geraffte Version zu spielen und einige Stationen kursorischer zu behandeln. Wichtig bei „Kürzungen“ ist aber, das Zentrum, nämlich die Genese von Brechts Drama im Jahre 1938, im Zentrum zu behalten und von den „Ausflügen“ zu anderen Stationen (1928, 1933, 1947, 1956) immer wieder zurückzufinden in Brechts dänische Schriftstellerwerkstatt von 1938.
Methodisch steht in diesem Zentrum der Vergleich von Brechts Quelle mit Brechts Dramenentwurf und die SchülerInnen dürfen gerne diese Umarbeitung mit Brecht analytisch nachvollziehen, noch lieber aber sich Brecht als Übungstheatertruppe zur Verfügung stellen und einzelne Szenen aus der Quelle und dem „Galilei“-Stück für ihn (und für sich) gleich auf unserer Klassenzimmerbühne probieren (vgl . das Bild unten).
Inszeniert in
Bern CH
Goldern CH
Basel CH
LEHRSTÃœCKBERICHT
Inszenierungsbericht Schmidlin 2007
Downloads
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Komposition als Anleitung für eigene Inszenierungen (pdf)
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Lexikonartikel von Jan Knopf zu Brechts Biographie (pdf)
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Brechts Verhoer 1947 in den USA (wav)
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Die Moritat von Mackie Messer aus Brechts Dreigroschenoper (mp3)
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3 Szenen aus Furcht und Elend des Dritten Reiches und Leben des Galilei und Galileo (pdf))
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Jakob Bührers Galileo Galilei-Drama (pdf)
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Tabellen Unterschiede Bührers Galileo - Brechts Leben des Galilei (pdf)
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Zeittafel Biographie Albert Einsteins (pdf)
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Berührungspunkte zwischen Brecht und Einstein (pdf)