Wann ist ein Unterricht am spannendsten? Doch wenn alle zusammen am Knobeln sind bei einem Rätsel. Einem Rätsel nicht aus der Jugendzeitschrift oder vom Rätsel-App auf meinem IPhone, sondern bei einem aus der Alltagsrealität. Etwa eine brennende Kerze: Was passiert da, wenn ich sie anzünde? Da gibt es nicht ein Lösungswort zu finden (sie verbrennt!) und dann habe ich die Sache verstanden, sondern da beginnt ein ganzer Forschungsweg. Denn die SchülerInnen dürfen jetzt bei jedem Detail, das sie noch nicht ganz verstanden haben, nachfragen: Wie geht das? Forschendes Lernen also über eine längere Zeit mit verblüffenden Experimenten, am besten in den Fussstapfen früherer Forscher und Lehrer, die diesen Lernweg auch schon gegangen sind. Bei der Kerze etwa der berühmte Chemiker Michael Faraday aus dem 19. Jahrhundert. Mit ihm lernen wir auch gleich, wie er gelernt und geforscht hat (sehr viel autodidaktisch!) und wie er das, was er dann verstanden hat, weitergab (in Vorlesungen für Jugendliche und Laien). So lernen wir die Wissenschaftsgeschichte gleich mit – und die Lehrkunst dazu. Eine Didaktik also, die den Unterricht spannend macht.
Was ist Lehrkunst?
Lehrkunstdidaktik ist Unterricht in Gestalt von Lehrstücken. Lehrstücke sind durchkomponierte, mehrfach erprobte, immer wieder variierte und weiterentwickelte Unterrichtseinheiten zu «Sternstunden der Menschheit» oder «epochenübergreifenden Menschheitsthemen». Im Lehrstückunterricht sollen die Schülerinnen und Schüler mitvollziehen können, wie Wissenschaftler oder Kulturpersönlichkeiten in ihrer Zeit neue Erkenntnisse gewonnen und wesentliche Entdeckungen gemacht haben. Lehrkunstdidaktik konzentriert sich auf die Verdichtung schulischer Lernprozesse zu Bildungsprozessen, zentral ist daher auch die ästhetische Dimension des Lehrstückunterrichts. Lehrkunstunterricht orientiert sich an einer Traditionslinie, die von Comenius’ «Didactica Magna» über Diesterweg, Willmann und Reichwein zum eigentlichen Vater der Lehrkunstdidaktik führt, zu Martin Wagenschein. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Lehrkunstdidaktik unter der Ägide von Hans Christoph Berg mit Wolfgang Klafki und Theodor Schulze fortentwickelt, ist heute weit verbreitet und kommt von der Mittelstufe der Volksschule bis zur Sekundarstufe II zum Zug. Dabei erhebt sie keineswegs den Anspruch, alle Themenfelder und Unterrichtsbereiche abzudecken – sie versteht sich vielmehr als «Zehn-Prozent-Didaktik».
Welche methodischen Ideen stecken dahinter?
Wesentlich für die Lehrkunstdidaktik ist die Methodentrias «exemplarisch – genetisch – dramaturgisch»:
– Lehrstückunterricht konzentriert sich auf kulturelle und curricular bedeutsame «Schlüsselthemen» (exemplarisch).
– Er orientiert sich dabei an kulturellen Vorbildern, den originären Quellen: (genetisch) an Autorinnen und Autoren, Forscherinnen und Forschern, Entdeckern, Dichterinnen und Dichtern, Denkerinnen und Denkern, Musikerinnen und Musikern und bildenden Künstlerinnen und Künstlern wie Pythagoras und Pascal, Aesop und Aristoteles, Linné und La Fontaine, Bach und Brecht, Merian und Molière, Faraday und Fabre, Sachs und Schnitzler deren Erfahrungen bei der Lösung eines komplexen Problems die Lehrkunstdidaktik sammelt und auswertet,
– um sie unter Aufnahme von Vorlagen oder Hinweisen von Klassikern der Pädagogik für heutige Jugendliche in eine lebendig gestaltete, zusammenhängende Lernaufgabe, ein «Lehrstück», zu verwandeln (dramaturgisch).
Bewährt hat sich zudem die freie und institutionell geförderte Zusammenarbeit in kollegialen Lehrkunstwerkstätten mit Kolleginnen und Kollegen und außerschulischen Beratern beim Aufbau einer Sammlung exemplarischer Lehrstücke.
Was ist das Leitbild?
In der Nuss hat sich die Kraft und das Wesen des Baums verdichtet, und aus der Nuss wächst dann wieder ein neuer Baum. Ähnlich bringt die Lehrkunstdidaktik exemplarische Lehrstücke, in denen sich die Kräfte großer kultureller Traditionen lebendig verdichtet haben – «all in a nutshell» – und die nun im Leben der neuen Generation wieder zu neuen lebenskräftigen Gestalten heranwachsen können.
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Introducing The Art of Teaching
Which time is the most exciting during a school lesson? Clearly when everybody is puzzling about a problem. A riddle not from the teen magazine or from the puzzle app on my cellphone, but one from our everyday reality. For instance a burning candle: What happens if I light it up? The answer is not a solution word to find (it burns!) but the task is to really understand the whole matter. So this first question opens up an extensive research path. For the pupils are now allowed to inquire about every detail they have not quite understood yet: How does it work? Research based learning for a long time with astounding experiments, which is best done in the footsteps of former researchers and teachers who have already gone this path. In the case of the candle, for example, the famous chemist Michael Faraday from the 19th century. Following him we can learn at the same time how he has learned and researched (very much as an autodidact!) and how he passed on what he had then understood (in lectures for young people and laymen). This is how we are learning about the history of science in the same move – and about the Art of Teaching (Lehrkunst). A way of teaching that makes the school lessons exciting.
What is the Art of Teaching?
Lehrkunst didactics means teaching mainly in the form of staging lessons (Lehrstück). Staging lessons are well composed medium length teaching units that are repeatedly tested, always varied and constantly developed. They treat “decisive moments in history” (Sternstunden der Menschheit) or cross-epochal human issues. In staging lessons pupils are asked to reenact the ways on which scientist or headliners of culture have won new insights at their time and made pioneering discoveries. Lehrkunst didactics concentrate on condencing learning processes in school into educational processes, and the aesthetic dimension of staging lessons is also central.
Lehrkunst follows a historical tradition starting with Comenius' "Didactica Magna" and leading via Diesterweg, Willmann and Reichwein to the true father of Lehrkunst didactics, to Martin Wagenschein. Over the past twenty years, the art of teaching has greatly developed under the auspices of Hans Christoph Berg with the help of Wolfgang Klafki and Theodor Schulze. Today, it is widespread and practiced at upper grade elementary schools up to upper secondary schools. In doing so, it does not claim to cover all the topics and areas of instruction – it considers itself as a "ten per cent didactics".
What are the methodological ideas of Lehrkunst didactics?
The methodological center of Lehrkunst is the triad of the exemplary, the genetic and the dramaturgical principles.
- Teaching staging lessons focuses on cultural and curricularly important "key topics" (exemplary principle).
- It is based on cultural examples, on the original sources: (genetic principle): authors, researchers, explorers, poets, philosophers, musicians and visual artists such as Pythagoras and Pascal, Aesop and Aristotle, Linné and La Fontaine, Bach and Brecht, Merian and Molière, Faraday and Fabre, Sachs and Schnitzler, whose experience in solving a complex problem is collected and evaluated by Lehrkunst didactics, - to transform them into a lively, coherent learning task for today's young people, into staging lessons which include the models and hints from the classics of pedagogics (dramaturgical principle).
The free and institutionally supported cooperation among colleagues and non-school advisors in so called Lehrkunst workshops has also proved successful in setting up a collection of exemplary staging lessons.
What is the mission statement?
The power and the essence of the tree has condensed in the nut, and a new tree grows again out of the nut. Similarly, Lehrkunst didactics offers exemplary staging lessons in which the forces of great cultural traditions have been condensed – "all in a nutshell" – and which can now grow into new, living characters in the life of the new generation.