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MU-Schwerpunktheft „Lehrkunstdidaktik“

1-MU6-2013 LehrkunstdidaktikIm Dezember 2013 ist in der renommierten Fachzeitschrift „MU – der Mathematikunterricht“ ein Themenheft zur Lehrkunstdidaktik erschienen (Herausgeber: Mario Gerwig, Susanne Wildhirt).

Lehrstück-Portraits, Konzeptartikel, externe Kommentare

Im Zentrum des Hefts stehen kurze, zweiseitige Portraits zu insgesamt sieben Mathematik-Lehrstücken: Wahrscheinlichkeitsrechnung mit Pascal, Entdeckung der Axiomatik, Satz des Pythagoras, das Nichtabbrechen der Primzahlfolge, Achilles und die Schildkröte, Wurzel Zwei, Jost Bürgis Logarithmen. Umrahmt werden die Portraits von drei konzepterschließenden Artikeln (i: Das Konzept der Lehrkunstdidaktik, ii: Zum Beweisen im Unterricht: Eine Lehrstück-Trilogie, iii: Ein Repertoire an Lehrstücken im Spektrum eines methodenvielfältigen Unterrichts), einem Interview mit den ETH-Professoren Elsbeth Stern und Norbert Hungerbühler sowie insgesamt sieben Gastkommentaren (u.a. von den Mathematik-Fachdidaktikern Timo Leuders, Hans-Georg Weigand, Lisa Hefendehl-Hebeker, dem Koordinator der Schweizer Bildungsstandards Naturwissenschaften Peter Labudde und dem Filmemacher Reinhard Kahl).

Die Kommentare sollen – so die Hoffnung der Herausgeber – eine über die einzelne Veröffentlichung hinaus gehende wissenschaftliche Korrespondenz initiieren. In diesem Sinn folgt weiter unten auf dieser Seite, wie im Heft angekündigt, die Reaktion der Herausgeber auf den Gastkommentar von Timo Leuders (S. 11-13 im Heft).

Das Heft kostet 17.90 € und kann auf der Internetseite des Friedrich-Verlags bestellt werden: www.der-mathematikunterricht.de. Das Inhaltsverzeichnis des Hefts ist dort ebenfalls einsehbar.

(Update 07.01.14:) 
Es folgt der Kommentar der Heftherausgeber zum Beitrag von Timo Leuders.

Mit großer Freude haben wir den Beitrag von Timo Leuders für das Schwerpunktheft „Lehrkunstdidaktik“ erhalten und gelesen – in unseren Augen der Kommentar eines neuen, echten critical friends, mit dem es zahlreiche Gemeinsamkeiten gibt: Die Verbindung Wagenschein-Roth, die im ausgewählten Schlusszitat hervorgehoben wird und welches Christoph Berg seinem (Standard-)Artikel zur Genetischen Methode (u. a. in Berg/Schulze (1995), Lehrkunst: Lehrbuch der Didaktik, Luchterhand, S. 349-360) vorangestellt hat, der Blick auf die über Wagenschein hinausgehende Genetische Methode, die möglichen Verbindungen zu Gallin/Ruf oder zu den Lesson-Studies –erfreulich und herausfordernd! Darüber hinaus trifft der Kommentar den Werkstattcharakter der Lehrkunstdidaktik ausgezeichnet, insbesondere wird die Poiesis-Dimension der Lehrkunst hervorgehoben. Unserer Kenntnis nach ist diese wichtige, aber leider „verdrängte Dimension im Theorie-Praxis-Verhältnis“, wie es bei von Prondczynsky (1993) heißt, ein Alleinstellungsmerkmal der Lehrkunstdidaktik.

 Nur zu wenigen Punkten möchten wir dennoch Stellung nehmen und zu Beginn ein mögliches Missverständnis aus dem Weg räumen: Die Lehrkunstdidaktik beschäftigt sich nicht nur mit Mathematikunterricht, sondern mit allen Fächern. Kern sind dabei Phänomene, Ereignisse, „Sternstunden der Menschheit“ (Zweig), die eben nicht nur in der Mathematik, sondern in sämtlichen Bereichen auftreten. Aus diesem Grund ist die Lehrkunstdidaktik keine Fach-, sondern viel mehr eine „Allgemeindidaktik in fachunterrichtlichen Exempeln“. Ihr theoretisches Fundament speist sich dabei – wie in den Künsten üblich – aus der Praxis, genauer: aus der Verbindung von Poiesis und Praxis. Erst aus den Werken Bachs konnten die Musikologen seine implizit vorhandene Theorie hermeneutisch erschließen (vgl. Schweitzers Bachbuch von 1908), ohne Lessings eigene Dramen hätte seine Dramaturgie viel weniger Gewicht – und erst auf Basis einer hinreichenden Anzahl an Lehrstücken konnte eine fundierte Theorie der Lehrkunstdidaktik formuliert werden (so wie, analog, eine Theorie des Unterrichts auf der Basis von Unterrichtsexempeln stehen sollte, und sich nicht umgekehrt der Unterricht unentwegt an einem übergestülpten, theoretischen Konstrukt orientieren sollte). Dies wurde 1995 (Berg/Schulze, s.o.) erstmals versucht, mittlerweile ist unseres Erachtens die theoretische Fundierung ausgereift. Inwieweit die strengen Didaktik-Kriterien, die Timo Leuders anspricht, dabei erfüllt sind, lässt sich in unserem knappen, sechsseitigen Konzept-Artikel nur schwerlich darlegen. Aber: Vor einigen Wochen ist im „Jahrbuch für Allgemeine Didaktik. Neuere Ansätze in der Allgemeinen Didaktik“ (Zierer (Hrsg.) 2013, Schneider Hohengehren) der Aufsatz „Lehrkunstdidaktik 2013. Weiter auf dem Weg zu einer konkreten und allgemeinen Bildungsdidaktik“ (Berg/Gerwig/Wildhirt, S. 11-31) erschienen, welcher den aktuellen Stand der Lehrkunstdidaktik darlegt. Die Lektüre dieses Aufsatzes verdeutlicht, dass die Lehrkunst durchaus sehr bemüht ist, an ihrem Empirie-Defizit zu arbeiten. Außer bei Baars („Quantenchemie farbiger Stoffe mit Heisenberg und Einstein“, hep-Verlag, 2011) wurde bislang vor allem eine kleine, schlanke (und dadurch auch praktikable) Empirie im Sinne der Aktionsforschung (Altrichter/Posch) vollzogen. Wir hielten es bislang mit dem Grundsatz „Das Schwein wird nicht fetter, nur weil man es dauernd wiegt“, doch mittlerweile glauben wir, das „Lehrkunst-Schwein“ ausreichend gefüttert zu haben, so dass es jetzt an der Zeit für ein erstes Wiegen ist. Wir hoffen sehr, dies in naher Zukunft realisieren zu können.

Die Genetische Methode geht zweifelsfrei über Wagenschein hinaus, hier haben wir Optimierungspotential, wobei zu erwähnen ist, dass im Normalgang häufig die organisch-genetische Methode Willmanns unterschlagen wird und welche lehrkunstdidaktisch wiederum Berücksichtigung findet. Mit Gallin/Ruf gab es bereits vor einigen Jahren enge Kontakte, doch die ungeheuren Anforderungen der dialogischen Didaktik ließen uns bislang vor einem echten Weitergang scheuen: Wenn sich ein tüchtiger Normallehrer finden lässt, der dieses Konzept erfolgreich praktiziert, ohne schon durch eine einzelne Klasse überfordert zu sein, dann wäre das ein echter Grund, über eine neue und ernsthafte Kooperation mit Gallin/Ruf nachzudenken! Bei Gudjons („Pädgogisches Grundwissen“) immerhin sind wir unter „Neuere didaktische Konzepte“ als Nachbarn positioniert. Und auch die Nähe zu den Lesson-Studies haben wir vor wenigen Jahren in einer gemeinsame Publikation von Christoph Berg und Tilman Grammes untersucht (Tilman Grammes mit Christoph Berg: Lehrkunst (Teaching Art): a German Version of Lesson Study? Examples from Science and Humanities Education. In: Matoba, Masami/Crawford, Keith/Arani, Mohammed R. Sarkar (Hg.): Lesson Study. International Perspective on Policy and Practice. Bejing: Educational Science Publishing House 2006, S. 239-256).

Uns liegt daran, dass unsere Antwort auf den Kommentar von Timo Leuders nicht als enttäuschte Kritik verstanden wird – sie ist im Gegenteil eine Reaktion auf die von Leuders formulierten erfreulichen und ehrenvollen Herausforderungen; und hoffentlich der Beginn eines künftigen, fruchtbaren Dialogs.

 Mario Gerwig, Susanne Wildhirt