Warum hat die Schlange Beine? Was ruft der Engel den Hirten gerade zu? Kommt in der Bibel wirklich ein kackender Hund vor? Mit seinem einzigartigen Mal- und Zeichenstil nimmt Rembrandt uns Erwachsene und (in etwas anderer Weise) auch unsere jugendlichen Schüler mit in die biblischen Geschichten. Jedes Bild erzählt eine Geschichte, nimmt Details in den Blick, die wir bisher vielleicht überlesen haben oder ergänzt sie mit seiner Welt des 17. Jahrhunderts. Wenn wir gelernt haben, die Bilder zu lesen, hören wir fast die Worte des Engels oder das Brausen des noch nicht gestillten Sturmes auf dem See. So werden wir mit den Bildern Rembrandts in einem Fries aus etwa zwei Dutzend Geschichten (fast) durch die ganze Bibel geführt. – Aber die Bilder führen nicht nur durch die Bibel, sondern sie erzählen auch Rembrandts eigenes Leben. In leuchtenden Farben sehen wir den dreißigjährigen Rembrandt als sich noch lange nicht verloren fühlenden Sohn, strahlend mit seiner Saskia auf dem Schoß. Jahre später lässt ein in kargen düsteren Strichen gezeichneter, abgemagerter Schweinehirt erahnen, dass auch der vierzigjährige Rembrandt sich auch in Tagen tiefer Verzweiflung in diesen Geschichten geborgen fühlt. Und wieder dieselbe Geschichte malend schmiegt sich der aus Verarmung, Verirrung und Verzweiflung wieder aufgetauchte und altersweise gewordene sechzigjährige Rembrandt heimgekehrt vertrauensvoll in den Schoß seines liebenden Vaters. – Indem wir sehen, wie Rembrandt selbst immer wieder neu mit seinen Bibelbildern ringt, beginnen die Bibelbilder und Bibelgeschichten auch in uns und wir mit ihnen zu arbeiten. Warum sitzt der Prophet Nathan, von Gott geschickt, nicht über dem ehebrecherischen König David sondern unter ihm? Wird aus Demut Hochmut, wenn wir die Figuren umstellen? Wo sind die Jünger Jesu bei seiner Gefangennahme? Wird uns diese Geschichte deutlicher und griffiger, wenn wir sie kolorieren? Mit welcher Farbe zeichnen wir Jesus und seine Jünger nach, mit welcher seine Häscher? Jetzt ist, mit Rembrandt, produktive Rezeption und rezeptive Produktion angesagt: ausmalen, ummalen, weitermalen – Und welche Bibelbilder finden wir so schön, welche biblischen Geschichten sind uns so wichtig geworden, dass sie in unserem eigenen, jeweils ganz persönlichen klaftergroßen Rembrandtbibel-Leporello nicht fehlen dürfen, in „unserer kleinen Rembrandtbibel“?
Bielefeld D
Helmstedt D
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